In Deutschland kann die Höhe des Arbeitsentgelts zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern grundsätzlich frei vereinbart werden. Dieser Grundsatz bedeutet bei uneingeschränkter Geltung ein starkes Ungleichgewicht der Machtverhältnisse auf dem Arbeitsmarkt und würde zu extremen Niedriglöhnen führen. Um der Marktmacht der Arbeitgeber etwas entgegen zu setzen, haben sich Arbeiter und Angestellte in Gewerkschaften organisiert. Diese handeln mit dem Arbeitgeber oder mit Arbeitgeberverbänden Tarifverträge aus. Nach §3 des Tarifvertragsgesetzes sind alle Mitglieder der Tarifvertragsparteien an diese Verträge gebunden. Durch eine Allgemeinverbindlichkeitserklärung kann erreicht werden, dass alle Arbeitsverhältnisse im Geltungsbereich eines Tarifvertrages den darin festgeschriebenen Normen unterliegen, d. h. die darin festgelegten Mindestentgelte dürfen nicht unterschritten werden.
In Deutschland sind allerdings bei weitem nicht alle Arbeitsverhältnisse tarifgebunden. Deutliche Unterschiede gibt es zwischen verschiedenen Branchen und zwischen verschiedenen Regionen, insbesondere zwischen Ost- und Westdeutschland.
In 2012 waren insgesamt noch 58 % der Beschäftigungsverhältnisse tarifgebunden. Dabei nimmt der Anteil der Tarifbindung immer mehr ab. Während im Westen 1998 noch 76 % nach Tarif beschäftigt wurden, waren es in 2012 nur noch 60 %. Im Osten waren 1998 noch 63 % tarifgebunden, in 2012 aber nur noch 48 %. Sehr deutliche Unterschiede zeigen sich zwischen den verschiedenen Branchen:
Tarifbindung der Beschäftigten in einzelnen Branchen in %, Stand 2012 | ||
Branche | West | Ost |
öffentliche Verwaltung/Sozialversicherung | 98 | 100 |
Finanz- und Versicherungsdienstleistungen | 82 | 65 |
Energie/Wasser/Abfall & Bergbau | 88 | 60 |
Baugewerbe | 72 | 54 |
Org.ohne Erwerbscharakter | 67 | 47 |
Gesundheit & Erziehung/Unterricht | 63 | 50 |
Verarbeitendes Gewerbe | 64 | 37 |
Landwirtschaft | 53 | 19 |
wirtschaftl., wissenschaftl., freiberufl. Dienstleistungen | 51 | 54 |
Verkehr & Lagerei | 59 | 37 |
Gastgewerbe & sonstige Dienstleistungen | 44 | 32 |
Großhandel, Kfz-Handel und -reparatur | 47 | 27 |
Einzelhandel | 45 | 42 |
Information & Kommunikation | 36 | 27 |
Der Anteil der Betriebe, die mit ihren Beschäftigten Tarifverträge abschließen, ist in ähnlichem Maße rückläufig. Besonders kleine Betriebe und Neugründungen verzichten häufig auf Tarifverträge. Im Jahr 2010 wurde in Betrieben mit über 1000 Beschäftigten zu 86 % nach Tarif bezahlt, in Betrieben mit weniger als 50 Mitarbeitern aber nur 20 %.
Die von den Gewerkschaften ausgehandelten Tariflöhne liegen in der Regel immer ein Stück über den Löhnen ohne Tarifvertrag. Im Jahr 1990 betrug die Differenz 13,4 Prozent. Bis 2010 hat sich der Abstand auf 22,3 Prozent erhöht.
1990 | 2001 | Steigerungsrate | 2010 | ||
durchschnittliche Bruttolöhne in Betrieben ohne Tarifbindung | 1.887 EUR | 37,50% | 2.594 EUR | 12,70% | 2.924 EUR |
Differenz | 22,30% | ||||
durchschnittliche Bruttolöhne in Betriebe mit Tarifbindung | 2.140 EUR | 35,40% | 2.898 EUR | 23,40% | 3.575 EUR |
Zwischen Ost-und Westdeutschland haben sich die Tariflöhne inzwischen weitgehend angenähert. In 2012 erreichten die Entgelte im Osten 97 Prozent des Westniveaus. Größere Unterschiede gibt es da noch bei der Wochenarbeitszeit. Die lag bei 38,6 Stunden im Osten, während die Kollegen im Westen nur 37,5 Stunden arbeiten mussten. Da aber im Osten viel weniger Beschäftigte nach Tarif bezahlt werden, klafft bei den Bruttoverdiensten insgesamt zwischen Ost und West immer noch eine Kluft von 17 Prozent.
In 2013 erzielten die Gewerkschaften für ihre Mitglieder relativ deutliche Lohnsteigerungen. Während für die Beschäftigten im Bergbau eine Steigerung von 3,5 % erreicht wurde, mussten Handel und Versicherungsgewerbe sich mit 2,3 begnügen. Da die Preise in 2013 nur um 1,5 Prozent gestiegen sind, bedeutet dies eine Reallohnerhöhung von durchschnittlich 1,2 Prozent.
Quellen:
http://de.wikipedia.org/wiki/Tarifvertrag
http://www.boeckler.de/45221_45502.htm
Statistisches Bundesamt – Tarifbindung in Deutschland – 2010 – https://www.destatis.de
WSI – Die Tarifbindung geht weiter zurück – http://www.boeckler.de
http://www.weltderarbeit.de – Alexander Ullrich: Die Lohnentwicklung in Deutschland